Infos zu Stoffwechselanomalie beim Dalmatiner
von Univ.-Prof. Dr. med. vet. Christine Iben,
Institut für Ernährung der Veterinärmedizinischen Universität Wien



Purine

Purine (Adenin, Guanin, Xanthin und Hypoxanthin) sind lebensnotwendige Stoffe, die entweder mit der Nahrung zugeführt oder im Körper synthetisiert werden können. Purine sind Bestandteil der Nukleotide, die bei fast allen biochemischen Prozessen eine Schlüsselrolle spielen.
Nahrungspurine werden vorwiegend in Form von Nukleoproteinen zugeführt und sind hauptsächlich in den Zellkernen pflanzlicher und tierischer Zellen enthalten. Von Enzymen aus der Bauchspeicheldrüse und der Darmschleimhaut werden die Nukleoproteine zu Nucleosiden, im wesentlichen Inosin und Guanosin, abgebaut, die dann aus dem Darm resorbiert werden können.

Ausscheidung der Purine bei verschiedenen Tierarten

Harnsäure (Acidum uricum; 2,6,8-Trihydroxypurin) ist eine in Wasser schwer lösliche organische Säure und kristallisiert in kleinen Schuppen. Saure Urate (Salz der Harnsäure) sind besonders schwer wasserlöslich.
Harnsäure ist beim Primaten das Endprodukt des Purinstoffwechsels. Der Abbau der Purine geht in einigen Spezies noch weiter. Die nicht zu den Primaten gehörenden Säugetiere (z.B. auch Hunde) scheiden Allantoin aus, das durch die Oxidation der Harnsäure mittels der Uricase gebildet wird. Allantoin ist wesentlich besser löslich als Harnsäure.
Knochenfische scheiden Allantoat aus, das durch Hydratisierung des Allantoins mit Hilfe des Enzyms Allantoinase entsteht. Der Abbau geht bei den Amphibien und den meisten Fischen noch weiter. Das Allantoat wird zu zwei Molekülen Harnstoff und einem Molekül Glyoxylat zerlegt. Schließlich gibt es noch einige marine Invertebraten, die den Harnstoff zu NH4+ und CO2 zerlegen.
Es ist wahrscheinlich, daß die Enzyme zur Katalyse dieser Reaktionen bei der Evolution der Säugetiere nach und nach verlorengingen.

Dalmatiner sind, was die N-Ausscheidung anbelangt, einzigartig, da sie sowohl Harnsäure als auch Allantoin als Endprodukte des Purinstoffwechsels ausscheiden. Verglichen mit anderen Hunderassen scheiden Dalmatiner wesentlich mehr Harnsäure und weniger Allantoin aus. Normalerweise werden 10 bis 60 mg Harnsäure innerhalb von 24 Stunden ausgeschieden, der Dalmatiner scheidet dagegen durchschnittlich 400 bis 600 mg aus. Der Wert kann von 200 bis über 1000 mg schwanken. Ab 550 mg Harnsäure/24 Stunden ist das Risiko einer Steinbildung besonders groß.
Ebenso wie im Harn ist der Gehalt an Harnsäure im Plasma beim Dalmatiner um das 2 bis 4fache höher als bei anderen Hunderassen. Die mittlere Konzentration im Serum beträgt beim Dalmatiner 0,5 mg/dl mit einer Streuung von 0,3 bis 4 mg/dl.

Zwei unterschiedliche Mechanismen dürften der hohen Harnsäure- und geringen Allantoinproduktion des Dalmatiners zugrunde liegen. Ein defektes Harnsäure-Transportsystem in der Leber führt zu einer verminderten Oxidation von Harnsäure zu Allantoin durch das Enzym Uricase, da die Harnsäure nicht in die Leberzellen gelangt. Das 2. Problem betrifft die Niere. Verglichen mit anderen Hunderassen haben Dalmatiner eine stark reduzierte Harnsäure-Reabsorption in den Nierentubuli. Normalerweise werden 98 % der im Primärharn vorhandenen Harnsäure in den proximalen Tubuli reabsorbiert, gelangen in die Leber und werden dort in Allantoin umgewandelt. Der Dalmatiner kann nur sehr reduziert Harnsäure reabsorbieren, was zu einem Anstieg der renalen Ausscheidung führt.

Bei den Menschen und höheren Primaten ist der durchschnittliche Harnsäuregehalt im Plasma wesentlich höher als bei anderen Säugetieren (Mensch ca. 5 mg/dl). Harnsäure besitzt auch eine besonders nützliche Funktion als Antioxidans im Körper. Sie ist ein sehr wirksamer Zerstörer von hochreaktiven und schädlichen Sauerstoff-Formen. In dieser Funktion ist Harnsäure etwa genauso wirksam wie Vitamin C. Man vermutet, daß der hohe Harnsäurespiegel deutlich zu der längeren Lebenserwartung des Menschen beiträgt.

Da die Harnsäure wesentlich weniger gut wasserlöslich ist als Allantoin, können höhere Mengen im Blut oder im Harn zu Kristallbildung führen. Beim Menschen kommt es zur Kristallisation von Harnsäure im Gewebe, wenn die Gehalte im Serum 6,5 mg/dl überschreiten. Obwohl Dalmatiner Harnsäure nur in geringem Ausmaß in Allantoin umwandeln, werden nie ähnlich hohe Blutserumkonzentrationen wie beim Menschen erreicht. Dalmatiner scheiden sehr hohe Mengen mit dem Harn aus, sodaß dadurch ein so hoher Anstieg im Blutserum nicht möglich ist.

Besondere Diätmaßnahmen beim Dalmatiner

  • Die Nahrungsmittel sollten einen geringen Puringehalt aufweisen. Da die größte Purinquelle die Nukleinsäuren sind, die den Hauptbestandteil der Zellkerne pflanzlicher und tierischer Zellen bilden, sind Nahrungsmittel, die viele Zellkerne enthalten, zu vermeiden. In Tab. 1 sind die Puringehalte (in mg Harnsäure-Äquivalente) verschiedener auch in der Hundefütterung verwendeter Lebensmittel angeführt.
  • Eine weitere prophylaktische Maßnahme ist die Erhöhung der Flüssigkeitsaufnahme. Das spezifische Gewicht des Harns soll 1,018 nicht überschreiten. Eine Erhöhung der Flüssigkeitsaufnahme kann relativ einfach durch Gabe von breiigem und teilweise flüssig angerührtem Futter erreicht werden.
  • Da Harnsäure in saurem Harn schlecht löslich ist, ist bei gefährdeten Tieren oder Tieren mit bereits vorhandenen Harnsteinen eine Alkalisierung des Urins vorzunehmen. Der Harn-pH soll zwischen 6,5 und 7,2 eingestellt werden. Diäten, die den Harn ansäuern (z.B. alle Diäten gegen Struvitsteinbildung), sind daher auf keinen Fall geeignet! Eine medikamentöse Einstellung des Harn-pH ist durch Gabe alkalisierender Medikamente mit dem Futter ist möglich und zur Steinauflösung notwendig. Alkalisierend wirkende Futtermittel sind z.B. Karotten und Kartoffeln.
  • Verabreichung von Medikamenten, die die Bildung von Harnsäure hemmen.
Literatur
BIESALSKI, H.-K., FÜRST, P., KASPER, H., KLUTHE, R., PÖLERT, W., PUCHSTEIN, Ch., STÄHELIN, H.B. (1995): Ernährungsmedizin. Georg Thieme Verlag, Stuttgart. BRIGGS, O.M., HARLEY, E.H. (1985): Serum urate concentration in the Dalmatian Coach Hound. J. Comp. Pathol. 95, 301-304. CASE, L.P., CAREY, D.P., HIRAKAWA, D.A. (1995): Canine and feline nutrition. Mosby Year Book, Inc., St. Louis, Missouri. ELMADFA, I., AIGN, W., MUSKAT, E., FRITZSCHE, D., CREMER, H.-D. (1993): Die große GU-Nährwert-Tabelle: Kalorien-, Joule- u. Nährstoffgehalte. Verlag Graff u. Gunzer, München.IBEN, Ch. (1996): Diätmanagement bei Hund und Katze. Gustav Fischer Verlag, Jena. WIRTH, W., MEYER-LINDENBERG, A. (1995): Urolithiasis bei Hund und Katze. Gustav Fischer Verlag, Jena. STRYER, L. (1994): Biochemie. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg.


Harnsäuregehalt einiger Futtermittel (mg/100g)

Rindfleisch 140
Schweinefleisch 150
Kalbfleisch 150
Huhn, gekocht 170
Fasan, Hase, Hirsch, Reh 150
Truthahn 150
Gans 240
Kalbsleber 250
Hühnerleber 243
Kalbsniere 240
Herz (Schwein) 510
Zunge (Rind) 160
Forelle (ohne Haut) 150
Forelle (geräuchert) 295
Hering 280
Karpfen 150
Thunfisch in Öl 290
Milch 0
Camembert 30
Emmentaler 10
Butter, Margarine, Fett, Öl 0
Ei (1 Ei, ca. 50 g) 1
Eigelb (ca. 20 g) 1
Eiklar 0
Reis 0
Nudeln 38
Grieß 55
Mischbrot 36
Vollkornbrot 40
Weißbrot 15
Erbsen (grün, frisch) 150
Erbsen (gelb, getrocknet) 168
Bohnen (grün, frisch) 142
Bohnen (weiß) 130
Karotten 15
Kartoffeln 5

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